WASSERSTOFF

Wasserstofftechnologie als (neuer) Treiber der Energie- und Klimawende


Bereits zu Zeiten von Jules Vernes untersuchten Wissenschaftler:innen Wasserstoff und seine möglichen Einsatzgebiete. 1870 schrieb der französische Schriftsteller in seinem Buch „Die geheimnisvolle Insel“ seine Vision zur Energieversorgung der Zukunft:

“Das Wasser ist die Kohle der Zukunft. Die Energie von morgen ist Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist. Die so zerlegten Elemente des Wassers, Wasserstoff und Sauerstoff, werden auf unabsehbare Zeit hinaus die Energieversorgung der Erde sichern.”

100 Jahre später rückte Wasserstoff bei der Bewältigung der Ölkrise als Ersatzstoff für fossile Energieträger in den Fokus der Untersuchungen und auch danach hat sich Wasserstoff zu einem bedeutenden Baustein insbesondere für Anwendungen in der Industrie entwickelt.

Aufgrund seiner vielfältigen Einsatzmöglichkeiten als Speicher- und Transportmedium, als Roh- und Treibstoff sowie als Ersatzstoff für fossile Energieträger kann aus erneuerbaren Energien gewonnener Wasserstoff in den Sektoren Strom, Wärme, Industrie und insbesondere auch Mobilität einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen und ganzheitlich betrachteten Energiewende und perspektivisch zu einer vollständigen CO2-Neutralität der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prozesse leisten.

Wasserstoff für eine nachhaltige Mobilität


Der Verkehrssektor ist mit einem Anteil von circa 18 % der drittgrößte Verursacher von Treibhausgasemissionen (THG). Aufgrund zunehmenden Verkehrsaufkommens, vor allem durch den zunehmenden Güterverkehr, sind die CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 trotz verbesserter Fahrzeugeffizienz nicht zurückgegangen, sondern angestiegen.

Auf der europäischen Ebene hat sich die Europäische Union das Ziel gesetzt, die THG-Emissionen bis 2030 um 55 % (1) und bis 2050 um 80 bis 95 % gegenüber 1990 zu reduzieren. Die Bundesregierung hat die eigenen Ziele mit der Klimaschutznovelle vom 24. Juni 2021 nochmal deutlich verschärft und sieht für 2030 eine Gesamtreduktion von 65 % sowie eine vollständige CO2-Neutralität bis 2045 vor (2). Für den Verkehrssektor bedeutet dies eine Verringerung der CO2-Emissionen bis 2030 um 83 Mio. t CO2-Äq. gegenüber dem Wert von 1990 (3).

Um dieses Ziel zu erreichen, sind tiefgreifende Transformationsprozesse innerhalb des Mobilitätssystems, der Automobilwirtschaft und der Infrastruktur erforderlich. Neben der Änderung des Mobilitätsverhaltens können insbesondere alternative Antriebe und Kraftstoffe hierbei einen Beitrag zu einer nachhaltigen Mobilität leisten. Im Fokus stehen die Produktion von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben sowie der Ausbau der Lade- und Tankinfrastruktur insbesondere für batterieelektrische und mit Brennstoffzellen betriebene PKW und Nutzfahrzeuge.

Der Einsatz von Wasserstoff als Grundbaustein flüssiger und gasförmiger Energieträger auf Basis erneuerbarer Energien eignet sich genau dort, wo eine direkte Stromnutzung technisch oder wirtschaftlich nicht möglich oder sinnvoll ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass jede Form der Umwandlung und Nutzung von Primärenergie einen Einfluss auf die Effizienz des Energieträgers hat (4).

Für den Mobilitätssektor bedeutet dieses, dass der Einsatz von Wasserstoff für schwerere Nutzfahrzeuge vor allem für Langstreckenfahrten eine relevante Bedeutung erhält, da sich hier die Vorteile einer höheren Reichweite und kurzer Betankungszeiten gegenüber dem Batterieantrieb zeigen. Weiterhin stellt in diesem Bereich bis auf absehbare Zeit das Eigengewicht der Batterien eine schwer zu tolerierende Reduktion der Nutzlast dar. Erst für das Jahr 2030 werden entsprechende Entwicklungen in den Batteriegewichten prognostiziert, die Reichweiten von 400-500 km ohne signifikante Verluste in der Nutzlast ermöglichen. Notwendige Schnelladesysteme mit Leistungen von 1 MW und größer werden erst für das Jahr 2024 prognostiziert. Dass auf diesem Hintergrund ein Markthochlauf bei Lkw für die Fernstrecke auf Basis von Batterietechnologie bereits für das Jahr 2023 und hingegen für brennstoffzellenbasierte Lkw erst für das Jahr 2027 prognostiziert werden, ist in diesem Zusammenhang nicht transparent (5).

Batterieelektrisch angetriebenen PKW und leichtere Nutzfahrzeuge eignen sich insbesondere für den Kurzstrecken- und Pendlerverkehr. Zudem stellt die dafür notwendige Ladeinfrastruktur beispielweise in dicht besiedelten Wohngebieten eine enorme Herausforderung dar. Studien prognostizieren daher aus verschiedenen Gründen für den Bestand im Jahre 2050 einen Anteil von bis zu 20 % Brennstoffzellen-PKW (6).

Für den Einsatz von Wasserstoff bei Nutzfahrzeugen > 3,5 t bis hin zu schweren LKW und Sattelzugmaschinen müssen besondere Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Nutzfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht größer 3,5 t verursachen circa 38 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr mit steigender Tendenz (siehe Abbildung 1).


(1) Fraunhofer ISE, 2019
(2) Bundesregierung, Klimaschutzgesetz, 2021
(3)Agora Energiewende, 2021
(4) Fraunhofer ISE, 2019
(5) Bundesregierung, Klimaschutzgesetz, 2021
(6) Agora Energiewende, 2021


Abb. 1: CO2-Emissionen und Fahrleistung inländischer LKW im Straßengüterverkehr 1990 – 2019 (7)

Gerade LKW mit mehr als 26 t zulässigem Gesamtgewicht machen mit weniger als 10 % zwar nur einen kleinen Anteil aller Nutzfahrzeuge im Bestand aus, führen aber zu etwa der Hälfte der Emissionen aller Nutzfahrzeuge, wie die Abbildung 2 aufzeigt (8).

Abb. 2: Bestand, Fahrleistung und CO2-Emissionen von Nutzfahrzeugen nach zulässigem Gesamtgewicht, Deutschland, 2016

(7) Nationale Plattform Zukunft der Mobilität, 2020
(8) Nationale Plattform Zukunft der Mobilität, 2020


In der positiven Deutung ergibt sich daraus, dass mit der Umstellung einer relativ kleinen Fahrzeugflotte sehr hohe CO2-Einsparungspotentiale geschöpft werden können. In der Abbildung ist zudem zu erkennen, dass alle LKW > 3,5 t, insbesondere der schwere Güterfernverkehr, durch hohe Fahrleistungen gekennzeichnet sind.

Aufgrund der drei Aspekte
• hohe Fahrleistungen und Langstreckenfahrten im Güterverkehr, auch verursacht durch eine zunehmende Internationalisierung,
• sehr hoher Leistungs-, Zeit- und Wettbewerbsdruck in der Transport-, Speditions- und Logistikbranche und dem Bedarf kurzer Betankungszeiten sowie
• das große Potential zur deutlichen Senkung von CO2-Emissionen und die Erfüllung der im Klimaschutzprogramm der Bunderegierung für das Handlungsfeld „Nutzfahrzeuge“ als Ziel formulierten Minderung um 17 bis 18 Mio. t CO2-Äquivalente bis 2030 (9)

zeichnet sich die Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie insbesondere für schwere LKW und Zugmaschinen als eine wesentliche alternative Antriebstechnologie ab.

Für den internationalen Flug- und Seeschiffsverkehr werden indes hohe Anforderungen an die Energiedichte des Kraftstoffs gestellt, so dass hier synthetische Flüssigkraftstoffe auf Basis von aus erneuerbaren Energien erzeugtem Wasserstoff im Fokus stehen. Für den Schienenverkehr werden wiederum Brennstoffzellen-Technologien entwickelt bzw. bereits eingesetzt. Dies gilt insbesondere für Strecken, die nicht elektrifiziert sind oder elektrifizieren lassen, z. B. im Falle von Rangierloks im Bereich von Häfen (10).

Wasserstoff – Infrastruktur


Derzeit ist das Angebot an Brennstoffzellen-PKW sowie die Anzahl der angemeldeten Fahrzeuge noch sehr gering. Busse und LKW mit Brennstoffzellen-Antrieb werden im Einsatz getestet bzw. befinden sich in der Entwicklung.

Der Ausbau des öffentlichen Tankstellennetzes schreitet voran mit dem Ziel von 400 deutschen Wasserstoff-Tankstellen bis 2023 bzw. 1000 bis 2030 (11).

Mit Stand Juli 2021 stehen in Deutschland 91 H2-Tankstellen für eine 700 bar-Betankung von PKW zur Verfügung. Weitere 15 Tankstellen befinden sich in der Planungs-, Genehmigungs- und Ausführungsphase sowie bereits im Probebetrieb und in der Inbetriebnahme. Für LKW und Busse wurden bisher sieben H2-Tankstationen mit 350 bar-Zapfpunkt aufgebaut.


(9)  Nationale Plattform Zukunft der Mobilität, 2020
(10) BIS Bremerhaven, 2021
(11) Fraunhofer ISE, 2019


Auch für Wasserstoff-Nutzfahrzeuge mit 700 bar-Technologie, wie z. B. Müllsammelfahrzeuge, sind nicht alle Stationen im Netz geeignet, da hierfür größere Abnahmemengen benötigt werden, die nicht durch jede Kompressortechnologie angeboten werden können.

Besonders für Nutzfahrzeuge ist der weitere Ausbau der Wasserstoffstationen von der Nachfrage abhängig sowie von der Ableitung eines entsprechenden örtlichen Interesses für eine öffentliche PKW-Tankstelle (12).

Innerhalb der „Nationalen Wasserstoffstrategie“ der Bundesregierung wird ein Handlungsrahmen für die Erzeugung, den Transport, die Nutzung und die Weiterverwendung von Wasserstoff und damit für entsprechende Innovationen und Investitionen geschaffen. Zur Deckung des Bedarfs an „Grünem Wasserstoff“ wird hierbei auf internationale strategische Wasserstoff-Kooperationen in Europa und der Welt gesetzt (13).

Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass auch bei einer Transformation auf Basis der alternativen Batterietechnologie gigantische Mengen an regenerativer Energie bereitgestellt werden müssen. Für den Verkehrssektor bedeutet dies beispielsweise, dass ein Anteil von 94 % fossiler Energie (706 TWh) durch regenerative Energie substituiert werden müssen (14). Diese Mengen sind weder in Deutschland noch in den Ländern (15) für die deutschen Stromimporte zu beziehen – zudem diese europäischen Ländern gleichzeitig die Transformation vollziehen. Der Energieträger Wasserstoff ermöglicht jedoch den Import von Energie ohne Einschränkungen, ähnlich wie heute die fossilen Energieträger.

Die Bundesländer Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern haben auch aus diesem Grund eine gemeinsame „Norddeutsche Wasserstoffstrategie“ verabschiedet. Der Standortvorteil des Nordens zeichnet sich hier neben einer hohen wissenschaftlichen Expertise und Industriezweigen mit erheblichen Wasserstoff-Erfahrungen auch durch hohe Erzeugungs- und Ausbaukapazitäten für On- und Offshore-Windenergie, zahlreiche unterirdische Formationen zur Speicherung von Wasserstoff und durch Seehäfen für Import und Verteilung von „Grünem Wasserstoff“ und den Export von Technologien aus. In vielen Landkreisen und Kommunen finden hierzu regionale Planungen und Überlegungen zum Aufbau einer Wasserstoffstruktur statt.

Mit der Wasserstoffstrategie für die Metropolregion Nordwest wird das große Potenzial der regionalen politisch-institutionellen Strukturen, der fachlich versierten Netzwerke und einer Forschungslandschaft internationalen Renommees sichtbar gemacht. Auf der interaktiven Karte der Wasserstoffregion Nordwest wird die besonderen Eignung der Region deutlich, einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der norddeutschen und nationalen Klimaziele zu leisten.

Unter dem Menüpunkt „Über das Projekt“ können Sie nachlesen, welchen Beitrag unser Projekt zur Unterstützung des weiteren Ausbaus der Wasserstoff-Infrastruktur leistet.


(12) H2 Mobility, 2021
(13) BMWI, 2020,
(14) UBA, 2021
(15) Statista, 2021